Temporärer Skulpturenpark Klosterscheune Zehdenick
Temporärer Skulpturenpark Klosterscheune Zehdenick
Fritz Best, Judith Egger, Robert Günther, Matthieu Husser
Anlässlich der aktuellen Ausstellung von Ulrike Hogrebe und Robert Günther wurde ein Turm vor der Klosterscheune Zehdenick errichtet. Dies nehmen wir zum Anlass auf künstlerische Arbeiten vor der Klosterscheune zu verweisen. Die Kunstwerke sind teils dauerhaft, teils temporär installiert und ergeben in ihrer Gesamtheit die Möglichkeit, die unterschiedlichsten künstlerischen Ansätze zu entdecken.
Fritz Best
Zehdenicker Formziegel:
Nr. 1, H.G.
2024
Diese kleine, unscheinbare Arbeit ist der Beginn eines Skulpturenweges entlang des Radwegs durch die Stichlanddschaft bis hin zum Ziegeleipark. Fritz Best traf verschiedene Menschen, die ihm Geschichten aus ihrem Leben oder der Arbeitswelt in Zehdenick, speziell der Ziegeleiindustrie, erzählt haben. Aus diesen Interviews hat er immer einen prägnanten Satz genommen und jeweils neben ein Porträt der Gesprächspartner gesetzt. Er fertigte dazu Linolschnittplatten, in die er den Ton drückte und nahm damit jahrhundertealte Techniken der Ziegelherstellung auf. Fritz Best macht damit Geschichte erkennbar und fügt mit dieser aufwendigen Methode seine ganz eigene Streetart in das Stadtbild von Zehdenick ein, die uns zu einer Entdeckungsreise von unscheinbarer Kunst und der eigenen Geschichte animieren.
Judith Egger
Wurmhotel
2023
Die Arbeit von Judith Egger ist haptisch nicht erlebbar. Tief in der Erde sind zwei künstlerisch gestaltete Wurmhotels aus Keramik vergraben, in denen sich Würmer wie in einem Luxushotel von ihrem anstrengendem Leben erholen können. Es ist eine Arbeit, von der wir glauben müssen, dass es sie tatsächlich gibt. So wie zum Beispiel der berühmte „Erdkilometer“ in Kassel von Walter De Maria aus dem Jahr 1977. Wir stehen vor einer Wiese und können uns nur die beiden Lusxushotels für die Würmer imaginieren. Unsere Phantasie wird angeregt und zugleich kommen Fragen auf, warum ausgerechnet diesen scheinbar, in der darwinschen Rangordnung, niederen Tiere ein Luxushotel zugestanden wird. Fragen über Konsum, Gerechtigkeit, Ressourcenverteilung, Tourismus, die Existenz der Würmer und damit verbundene ökologische Themen, aber auch und gerade, ob das künstlerische Erzeugnis wirklich greifbar sein muss oder im Verborgenen existieren kann und darf, werden hier angesprochen.
Robert Günther
Schichtwechsel
2023
1990 wurde die Werft in Stralsund aufgelöst. Die Spinde für die Kleidung der Arbeiter und Arbeiterinnen, die einen eigenen kleinen privaten Raum darstellten, verloren ihren Verwendungszweck. Trotz allem strahlen sie, nicht zuletzt durch ihre Nutzungsspuren, eine körperliche Präsenz der Arbeitnehmer aus. Robert Günther baute aus ihnen einen Turm, der nach oben offen ist und sich unendlich erweiterbar denken lässt. Damit spielt er auf Ikonen der modernen Kunst an, wie die unendliche Säule von Brancusi. Die Gestaltung an sich erinnert an die Ästhetik der Minimal Art und wirkt wie eine direkte Umsetzung der Holzplastiken von Carl Andre mit vorgefundenen Mitteln, womit Robert Günther Methoden der Arte Povera und des Ready Mades aufnimmt und neu interpretiert. Zugleich ist es aber auch eine Plastik, die auf die sozialen Verwerfungen der Wendezeit anspielt und Methoden der Schiffahrt mit den gestapelten Containern (und all ihren ökonomischen und sozialen Komponenten) aufgreift. Allein der Titel spielt mit den verschiedenen Bedeutungen. Ist der Schichtwechsel in der Arbeitswelt, in der Gesellschaft gemeint oder nur der formale Schichtwechsel der unterschiedlich gelagerten Schichten von Spinden? Es ist ein Mahnmal der Zeit, der Veränderung und der Erinnerung an Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben.
Matthieu Husser
V.G.U.S 1250
2025
Der französische Künstler Matthieu Husser hat an die Giebelwand der Klosterscheune eine temporäre Skulptur angebracht, die auf den ersten Blick wie ein gotischer Stein wirkt, der dort schon seit Jahrhunderten steht. Es ist eine Spirale, die an das Maßwerk der gotischen Kirchenfenster erinnert. Tatsächlich handelt es sich aber um ein ganz aktuelles Signet, das für eine extreme Veränderung unserer Welt steht. Es ist das Zeichen der künstlichen Intelligenz Chat GPT. Der Titel des Kunstwerks, V.G.U.S., bedeutet mit einem „vortrainierten generativen Umformer“ zu sprechen. 1250 ist keine Seriennummer, sondern das Gründungsjahr des Klosters Zehdenick.
Chat GPT stellt einen Epochenbruch in der Menschheitsgeschichte dar, von dessen weiteren Entwicklungen wir nur wage Vorstellungen haben. Wenn Matthieu Husser das Chat GPT Zeichen an die Wand der jahrhundertealten Klosterscheune anfügt, als habe mein einen alten Teil der abgerissenen Klosterkirche dort abgestellt, dann stellt er nicht nur die Frage, ob Chat GPT die alten Religionen ablöst, er spielt auch auf den Wandel von Symbolen und der Aneignung von Zeichen und Kommunikationsstrukturen durch die christliche Kirche an.
Die historische Täuschung des Signets als altes Bauelement lässt uns über unsere Wahrnehmung, was ist authentisch, was ist Fake, nachsinnen und was uns die Tradition der überlieferten Religion bedeuten kann und ob sie wirklich so einfach zu ersetzen ist.
Mit Unterstützung des Fonds Sozio Kultur, Plattform kulturelle Bildung, landkreis Oberhavel, stadt Zehdenick, GEWO Zehdenick, stadtwerke Zehdenick realisiert.
Besonderer Dank für die Unterstützung gilt Herrn Georg Reider vom Evangelischem Stift Kloster Zehdenick.